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Schlagwörter: Corona, Covid, Impfung

Kategorie: politisches Schlagwort (Lexik)


Verknüpft mit: Semantische An- und Enteignung


Diskurscommunities: Alle


Version: 0.8 (15.10.2023), Überarbeitung 19.02.2024

Kurzüberblick

Die Corana-Pandemie und die staatlichen Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung beschäftigen Teile der rechten Social-Media-Bubble bis ins Jahr 2024 und wahrscheinlich auch noch darüber hinaus. Zur Zeit des Forschungsprojekts von November 2021 bis April 2022 war das Thema dominant. Um die Begriffe Corona, Impfung und Impfpflicht spannte sich ein gigantischer Austausch im Netz, der hier allein in Umrissen betrachtet werden kann. Es geht zum Beispiel um rechte Strategien der Relativierung, Polarisierung  oder Gegenerzählung - und um die Inszenierung der Rechten als vermeintliche Opposition.

Politische Schlagwörter werden von unterschiedlichen politischen Communities mit unterschiedlicher Häufigkeit verwendet. Dies kommt typischerweise dann vor, wenn ein bestimmter Ausdruck die Weltanschauung oder die politischen Inhalte oder Ziele dieser Gruppe besonders passend oder prägnant ausdrückt. Es kann aber auch vorkommen, dass Ausdrücke, mit denen z.B. politische Gegner oder ihre Ziele und Anschauungen diskreditiert werden, häufig von einer Community verwendet werden. Je weiter außen der Graph bei einer Community steht, desto häufiger wird der entsprechende Ausdruck in dieser Gruppe verwendet. Genauere Informationen zu den verschiedenen politischen Communities und wie diese identifiziert wurden finden sich auf der Übersicht zur rechten Twittersphäre.

Das Frequenzprofil relevanter Ausdrücke in unserem Korpus belegt, dass (wenig überraschend) der Diskurs über Corona in allen Communities ein dominantes Thema im Untersuchungszeitraum war. Die Gebrauchshäufigkeiten in den verschiedenen Gruppen liegen hier auf einem ähnlichen Niveau, wobei allein in der Nativen Onlinerechten überdurchschnittlich hohe Werte zu verzeichnen sind. Interessant ist, dass in einigen Communities der Ausdruck 'Impfung' sogar häufiger vorkommt als 'Corona' (der Unterschied ist insbesondere bei den 'Corona-Maßnahmenkritikern' deutlich, aber auch bei den Nativen Onlinerechten). Dies ist ein Indiz dafür, dass die Maßnahmenpolitik teilweise sogar intensiver thematisiert wurde als das Pandemiegeschehen selbst. Auffällig ist weiterhin, dass auch das Schlagwort 'Impfpflicht' rein quantitativ betrachtet kaum weniger Gewicht hat als die beiden zuvor genannten Ausdrücke. Dies ist insofern bemerkenswert, als die Diskussionen über eine mögliche Impfpflicht nur einen (eher geringen) Teil der in der Pandemie diskutierten oder praktizierten Maßnahmen benennt (die zudem auch nicht umgesetzt wurde). Die Debatte hat aber zu extremer Polarisierung im Diskurs geführt und so sehr viel Aufmerksamkeit generiert.

Kollokationen

  • 1_Abbildung_1_Corona
    Abbildung 1: Kollokationsprofil 'Corona'

Die Kontexte, in denen 'Corona' im Social-Media-Diskurs gebraucht wird, lassen verschiedene Felder erkennen, die den Diskurs strukturieren: So werden gesundheitlich-medizinische Aspekte besprochen, wenn Personen 'erkrankt' sind (3), sich mit dem 'Virus' (17) 'infizieren' (5) oder als 'Patienten' (18) im 'Krankenhaus' (15) behandelt werden. Weiterhin werden die 'Maßnahmen' (1), die die Politik ergriff, thematisiert: Insbesondere wird im Coronadiskurs die 'Impfung' (8, 16) behandelt, aber auch die im Alltag präsenten Tests (6, 10) sind sehr präsent. Todesfälle stellen ebenfalls einen häufigen Kontext des Sprechens über Corona dar (4, 7, 14). Bei diesen Kontextfeldern ist zunächst nicht abzulesen, welche Positionierung die Sprecher:innen zu den behandelten Gegenständen beziehen, also ob sie die Maßnahmen (als unwirksam oder rechtswidrig) ablehnen oder die mit Corona verbundenen Todesfälle hervorheben oder herunterspielen. Relativierungen lassen sich dort erkennen, wo die Pandemie mit einer 'Grippe' (2) verglichen wird oder davon gesprochen wird, dass gezielt 'Angst' (12) geschürt werde.

  • 2_Abbildung_2_Corona
    Abbildung 2: Kollokationsprofil 'Impfung'

Die Kontextanalyse des Ausdrucks 'Impfung' im Korpus zeigt, dass besonders die Frage der Wirksamkeit (3) diskutiert wurde (konkret wurde die Wirksamkeit im rechten Diskurs schon früh bezweifelt oder bestritten). Es werden Aussagen getroffen, dass die Impfung 'schützt' (1) oder 'wirkt' (3) (oder dies gerade bestritten). Die Frage einer ('sterilen' 15) 'Immunität' (4) wird ebenso aufgeworfen wie Fälle von 'Infektionen' (6) oder 'Ansteckungen' (7) 'trotz' (5) Impfung. Die Frage, ob Impfungen Schutz vor 'schwerem Verlauf' (13, 14) bieten oder ob sie einen angemessen 'Fremdschutz' (20) ermöglichen, werden häufig aufgeworfen. Ähnlich wie bei den Kollokationen von 'Corona' lässt sich hier die Positionierung der Sprecher:innen zum Gegenstand noch kaum ablesen. Deutlicher wird dies beim ebenfalls sehr präsenten Sprechen über (mögliche) 'Nebenwirkungen' (8), die 'nach' (2) der Impfung auftreten. Hierzu gehört auch das Sprechen über Risiken (19), die mit der Impfung verbunden seien. Ablehnende Positionierungen zur staatlichen Impfkampagne werden auch dort sichtbar, wo diese mit 'Zwang' (16) verbunden wird.
 

Typische Verwendungsweisen

a.) Corona-(Gegen-)Narrative

Typisch für den rechten oder corona-kritischen Diskurs ist, dass hier nicht nur Positionen oder politische Ziele propagiert werden, die im Widerspruch zu denen der etablierten politischen Kräfte stehen, sondern vielmehr zu den unterschiedlichen Narrativen, die diesen bestimmen, grundlegende Gegenerzählungen verbreitet werden. Es geht hierbei nicht nur um andere Bewertungen von politischen Problemen, sondern umfassender um andere Wirklichkeitskonstruktionen und Wahrheiten, von denen aus viele Akteure argumentieren. Hierbei wird die grundsätzliche Gegenposition gegen die Mehrheitspolitik konsequent von rechts bezogen und die AfD inszeniert sich als einzige Partei in Opposition zur Pandemiepolitik. Es handelt sich um einen Meta-Diskurs, der diverse Teilstränge miteinander zu einer großen Alternativerzählung der Pandemie und ihrer Bekämpfung vereinigt. Typisch ist in diesem Zusammenhang, dass Gegenerzählungen von rechts auch mit antikapitalistischen Motiven arbeiteten (insbesondere werden häufig die Interessen der Pharmaindustrie betont, der sich die Politik unterordne, vgl. Screenshot 7). Insofern lassen sich auch in diesem Untersuchungsbereich Formen Semantischer Aneignung erkennen. Charakteristisch für die tiefe Polarisierung, die sich im Corona-Diskurs zeigte, sind auch die oft zu beobachtenden Beschreibungen der Wahrnehmungen des Pandemiegeschehenes der Regierung und ihrer Unterstützer:innen als 'Wahn', der kaum noch in Übereinstimmung mit der Realität stehe. Da es sich hierbei um Pathologisierungen handelt (Kontrahenten haben keine anderen Ziele oder Interessen, die Kompromisse ermöglichen), sind kaum noch Verständigungen zwischen den Parteien möglich (wer einem 'Wahn' verfallen ist, kann nicht mit Argumenten überzeugt werden). 

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    Screenshot 1: Corona
  • 4_Screenshot_2_Corona
    Screenshot 2: Corona
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    Screenshot 3: Corona
  • 6_Screenshot_4_Corona
    Screenshot 4: Corona
  • 7_Screenshot_5_Corona
    Screenshot 5: Corona
  • 8_Screenshot_6_Corona
    Screenshot 6: Corona
  • 9_Screenshot_7_Corona
    Screenshot 7: Corona
  • 10_Screenshot_8_Corona
    Screenshot 8: Corona
  • 11_Screenshot_9_Corona
    Screenshot 9: Corona

b) 'Impfzwang' als Schlagwort

Exemplarisch für verschiedene Schlagwörter, die in den polarisierten Debatten um die Corona-Maßnahmen etabliert wurden, kann der Ausdruck 'Impfzwang' angesehen werden. Dieser wurde im Untersuchungszeitraum häufig als parteiliches Schlagwort von Gegner:innen der staatlichen Maßnahmen und insbesondere der Debatte um die Einführung einer möglichen (einrichtungsbezogenen oder allgemeinen) Impfpflicht verwendet. Der Ausdruck betont durch die Hervorhebung des Zwangs, der mit einer Impfpflicht verbunden wäre, den repressiven Charakter der diskutierten Maßnahmen und positioniert sich so klar ablehnend. Neben vielen maßnahmenkritischen oder – feindlichen Usern verwendeten insbesondere der AfD zuzurechnende Accounts dieses Schlagwort, um ihre Partei als einzige politische Kraft zu positionieren, die sich gegen eine Impfpflicht stellt (vgl. Screenshot 10).

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    Screenshot 10: Corona
  • 13_Screenshot_11_Corona
    Screenshot 11: Corona
  • 14_Screenshot_12_Corona
    Screenshot 12: Corona
  • 15_Screenshot_13_Corona
    Screenshot 13: Corona

Zum Weiterlesen

Die Sozialwissenschaftler Fabian Virchow und Alexander Häusler analysieren den Einfluss rechter Akteure auf die Kritik an den Coronamaßnahmen:

  • Virchow, Fabian; Häusler, Alexander (2021): Pandemie-Leugnung und extreme Rechte. In: Forschungsjournal Soziale Bewegungen, vol. 34, no. 2, S. 259-266. Online unter: https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/fjsb-2021-0022/html.

Im Online-Portal „Endstation Rechts“ berichtet der Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber über innerrechte Kontroversen, die sich an der Frage der Impfpflicht entzündeten: 

  • Pfahl-Traughber, Armin (2022): Frage der Impfpflicht: Streit in der Neuen Rechten. Online unter: https://www.endstation-rechts.de/news/frage-der-impfpflicht-streit-der-neuen-rechten.