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Schlagwörter: Klima, Klimawandel, Umwelt, Umweltschutz

Begriffe wie 'Umwelt', 'Klimawandel' und 'Umweltschutz' sind in der rechten Bubble sehr verbreitet - allerdings mit widersprüchlichen Tendenzen. Auf der einen Seite gibt eine breite Ablehnung von Klimaschutzpolitik und staatlichen Maßnahmen, die im Rechtspopulismus teilweise als "Wahn" verunglimpft werden. Es gibt rechte Gruppierungen, die den menschlichen Einfluss auf die Erderwärmung relativieren oder komplett leugnen. Auf der anderen Seite stehen Stimmen, die einen 'rechten Umweltschutz' etablieren möchten. Sie gewinnen seit einiger Zeit an Einfluss und wollen mit ökologischer, nachhaltiger und regionaler Umweltschutzpolitik von rechts Grünen und Linken Konkurrenz machen.

Kategorie: politisches Schlagwort (Lexik)


Verknüpft mit: Semantische Aneignung, Soziale Frage, Kapitalismus


Diskurscommunities: Alle


Version:0.8 (28.03.2023), Überarbeitung 19.02.2024

Kurzüberblick

Ausdrücke, die den Themenfeldern 'Umwelt', 'Klima(wandel)' und 'Umweltschutz' zuzurechnen sind, werden im rechten Umfeld häufig, aber uneinheitlich verwendet. Es handelt sich hier auch für die politische Rechte in Social-Media um wichtige Themenbereiche. Allerdings zeigt sich, dass anders als in anderen Bereichen (wie etwa der Migration) nicht eine gemeinsame Grundposition vorherrschend ist, sondern unterschiedliche, auch widersprüchliche Positionierungen vertreten werden (die sich auf die verschiedenen Teilcommunities verteilen). Gemeinsames Merkmal der anhand des Sprachgebrauchs erkennbaren Positionen ist, dass sie sich ablehnend zur von der Regierung vertretenen Sichtweise und den damit verbundenen politischen Maßnahmen positionieren. Dies gilt insbesondere für den Klimaschutz und damit verbundene Maßnahmen (Energiewende, Elektromobilität etc.), gegen die sich praktisch alle Akteure im rechten Diskurs positionieren. Dabei werden teils ablehnende Positionen vertreten, die den Klimawandel (oder seine menschengemachten Ursachen) bestreiten oder relativieren ('Klimawahn'). Andererseits wird auch von rechts Umweltschutz vertreten, der sich von der offiziellen Politik abgrenzt. Dem Klimaschutz werden häufig positive Bezugnahmen auf konkreten Umweltschutz (in Form von Regionalität, Artenschutz, Biodiversität etc.) entgegengesetzt, der als unvereinbar mit den Maßnahmen zum Klimaschutz konstruiert wird.

Insofern Umweltschutzthemen im aktuellen politischen Diskurs insbesondere mit den Grünen verbunden werden, handelt es sich beim 'rechten Umweltschutz' um Versuche der semantischen Aneignung. Hierbei wird häufig ein Gegensatz zwischen der Klimaschutzpolitik der Regierung, die als sozial destruktiv oder schädlich im Hinblick auf die lokale Umwelt (Artenschutz) gezeichnet wird, und einem lokal bzw. regional verankerten Umweltschutz konstruiert.

Häufigkeitsprofil

Politische Schlagwörter werden von unterschiedlichen politischen Communities mit unterschiedlicher Häufigkeit verwendet. Dies kommt typischerweise dann vor, wenn ein bestimmter Ausdruck die Weltanschauung oder die politischen Inhalte oder Ziele dieser Gruppe besonders passend oder prägnant ausdrückt. Es kann aber auch vorkommen, dass Ausdrücke, mit denen z.B. politische Gegner oder ihre Ziele und Anschauungen diskreditiert werden, häufig von einer Community verwendet werden. Je weiter außen der Graph bei einer Community steht, desto häufiger wird der entsprechende Ausdruck in dieser Gruppe verwendet. Genauere Informationen zu den verschiedenen politischen Communities und wie diese identifiziert wurden finden sich auf der Übersicht zur rechten Twittersphäre).

Die hier betrachteten Ausdrücke 'Umwelt', 'Klima', 'Klimawandel' und 'Umweltschutz' werden mit unterschiedlicher Häufigkeit im rechten Social-Media Kanälen verwendet. Insgesamt werden 'Klima' und 'Klimawandel' häufiger verwendet als 'Umwelt' und 'Umweltschutz'. Insofern der Gebrauch der Ausdrücke noch keine (zustimmende oder ablehnende) Position zu den benannten Phänomenen bedingt, spiegelt sich hier eine allgemeine Schwerpunktverlagerung des Diskurses wider, bei dem seit den frühen 2000er Jahren die Thematisierung des Klimawandels und seiner Auswirkungen massiv zugenommen haben, während der der Gebrauch des Ausdrucks 'Umweltschutz' rein quantitativ betrachtet dazu in den Hintergrund tritt.

Kollokationen

  • Abbildung 1 Klima Kollokation
    Abbildung 2: Kollokationsprofil "Klima" und "Umwelt"

Sprachliche Ausdrücke werden in der Praxis in verschiedenen Kontexten und von unterschiedlichen Sprechergruppen mit anderen Bedeutungen verwendet. Um diese unterschiedlichen Gebrauchsmuster beschreiben zu können, ist das Umfeld aufschlussreich, in dem das untersuchte Wort vorkommt. Hierbei ist besonders relevant, mit welchen anderen Ausdrücken das untersuchte Wort besonders häufig (und statistisch überdurchschnittlich oft) gemeinsam verwendet wird. Diese häufige Verbindung zweier Ausdrücke nennt man in der Sprachwissenschaft Kollokation oder Kookkurrenz. Die unten stehende Tabelle zeigt die wichtigsten Kollokationen der Suchausdrücke sortiert nach Signifikanz, also danach, wie stark überdurchschnittlich die Häufigkeit des gemeinsamen Vorkommens ist. Grundlage ist unser User-Korpus, das die rechte Twittersphäre abbildet (genauere Informationen zu unserer Datengrundlage finden sich auf der Seite über das Projekt). 

Bei den Kollokationsprofilen der Ausdrücke 'Klima' und 'Umwelt' fällt auf, dass beide häufig in festgefügten Mustern verwendet werden. Bei 'Klima' sind Formulierungen nach dem Muster 'x fürs/für's/für das Klima" sehr häufig und analog 'x für die Umwelt'.

'Klima' wird erwartungsgemäß häufig im Kontext des Klimawandels und damit verbundener Maßnahmen verwendet, etwa wenn das Klima 'gerettet' (3) oder 'geschützt' (9) werden soll. Bei den Kollokationen tauchen nur wenige Akteure auf; allein das Twitterprofil von Luisa Neubauer (7) erscheint im engeren Umfeld des Ausdrucks. Auch die 'Wirtschaft' (20) taucht mit hoher Signifikanz auf. Ein Blick auf die entsprechenden Tweets verdeutlicht schnell, dass hierbei die Wirtschaft in den allermeisten Fällen als Leidtragende des Klimas bzw. der Klimaschutzmaßnahmen beschrieben wird, und nicht als Verursacherin des Klimawandels. Abgesehen von der Verschränkung mit dem Migrationsdiskurs (19) gibt es nur wenig Anzeichen für einen spezifischen rechten Sprachgebrauch. 

Das ist bei 'Umwelt' anders: Hier werden schnell Diskurszusammenhänge deutlich, in denen der Ausdruck herangezogen wird: Die Zerstörung der Umwelt wird konkretisiert in der Bedrohung oder Vernichtung von Wäldern (4, 5, 8), wobei die im Untersuchungszeitraum diskutierte Abholzung von Teilen des Reinhardswaldes (8) für die Errichtung von Windkraftanlagen einen konkreten Anlass darstellte (siehe dazu auch unten Verwendungsweise c). 'Umwelt' wird als 'heimatlich' (18) oder als 'unsere' (14) Umwelt konkretisiert. Es zeigt sich hier insgesamt, dass das Sprechen über die Umwelt mit konkreteren Bezugspunkten einhergeht, als es beim Klima der Fall ist. 

  • Abbildung 2 Klima Kollokation
    Abbildung 3: Kollokationsprofile "Klimawandel und Umweltschutz"

Besonders im Falle des 'Umweltschutzes' werden im Kontextprofil spezifisch rechte Gebrauchsmuster deutlich: Die Rede über 'Umweltschutz' wird mit 'Heimatschutz' (1) und einem 'Heimatgefühl' (19) verknüpft. Er steht in einem Zusammenhang mit 'Tier'- und 'Naturschutz' (11, 14, 15, 17) und wird affirmativ als 'wichtig' (6) ausgezeichnet. Dem Gegner wird zugeschrieben, dass er Umweltschutz 'predige' (12), sich aber de facto anders verhalte. Analog sind auch die Kollokationen zu 'Neiddebatten' (9) um 'SUVs' (13) oder 'Luxuskarossen' (8) zu erklären, in denen es tatsächlich nicht um Umweltschutz gehe. 

TYPISCHE VERWENDUNGSWEISEN

a) Kritik an der Klimapolitik der Regierung: 'Klimawahn'

In einem Teil des rechten Lagers wird eine grundsätzliche Ablehnung der staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels postuliert, indem die Existenz des menschengemachten Klimawandels grundsätzlich bestritten werden und seine wissenschaftliche Beschreibung als falsch etikettiert werden. Der abgebildete Screenshot ist dafür ein typisches Beispiel: Der Account des Deutschland-Kuriers (ein mit der AfD verbundenes Online-Boulevardmedium) verbreitet einen Tweet des Finanzexperten Markus Krall, der den Klimawandel („Klimawahn“) als „Schwachsinn ohne jede wissenschaftliche Basis“ bezeichnet. Verknüpft wird dies mit einer schroffen Abgrenzung von den Grünen („grüne Sekte“), deren Energie und Klimapolitik mit dem 'Klimawahn' „zur Schadensbegrenzung schnellstmöglich in die Tonne [ge]treten“ werden müsse. Der AfD-nahe Deutschland Kurier zitiert diese Aussagen klar zustimmend („#WahreWorte“) und verbindet dies mit dem Gebrauch eines etablierten Hashtags einer gegen die Grünen und ihre Politik gerichteten Kampagne (#GrünerMist). Skurril erscheint die Frage nach der „Meinung“ der Rezipienten zu dem Statement Kralls, das vom Deutschland Kurier in der Frage als „Feststellung“ eingeordnet wird.

  • Screenshot 1 Klimawandel
    Screenshot 1

Eine derartige offene Leugnung des Klimawandels und daraus abgeleitete Ablehnung von Maßnahmen zur Eindämmung werden in der rechten Social-Media-Sphäre häufig vertreten. Sie sind aber nicht (mehr) unumstritten und erfahren teils auch Kritik von rechts. Präsent sind diese Positionen besonders im klassischen rechtspopulistischen AfD-Milieu, während in neurechten Zusammenhängen häufiger Klima- und Umweltschutz gegeneinander in Stellung gebracht werden (siehe unten).

b) Klimaschutz vs. Umweltschutz

Sehr verbreitet ist eine Thematisierung von Umwelt- und Klimafragen im rechten Diskurs, bei der den Klimaschutzmaßnahmen der Regierung tatsächliche oder vermeintliche Schäden gegenübergestellt werden. Die praktizierten Bemühungen um Natur- oder Klimaschutz erscheinen so tatsächlich schädlich für die Umwelt und es werden andere Interessen oder Ziele bei ihrer politischen Durchsetzung unterstellt. Insbesondere ist dies im Kontext des Ausbaus der Windenergie als zentraler Baustein der Energiewende zu beobachten.

  • Screenshot 2 Klima
    Screenshot 2

Im hier gezeigten Beispiel teilt ein thüringer MdL der AfD das Bild eines Greifvogels, der von einer Windkraftanlage getötet wurde. Eine mögliche Bedrohung für Greifvögel (aber auch Insekten oder Fledermäuse) wird häufig als mit dem Ausbau der Windkraft verbundener Schaden für die Umwelt und den Artenschutz hervorgehoben. Hiermit wird das Bemühen um die Einhaltung von Klimazielen mit Schäden der regionalen Ökosysteme relativiert. Der staatlich praktizierte Klimaschutz schade so der Umwelt mehr, als dass er Vorteile biete. Der Tweet behauptet daher, „dass es den Grünen gewiss nicht um Naturschutz“ gehe.

c) Landschaftszerstörung durch Klimaschutz – „Schutz der Heimat“

Eine Abwandlung des unter b) beschriebenen Gebrauchsmusters stellen Entgegensetzungen dar, bei denen als Schaden, der durch die Klimapolitik entstehe, nicht primär die lokale Umwelt und ihr Schutz geltend gemacht werden, sondern die Zerstörung des Landschaftsbildes. Hierbei wird nicht nur der Wert für die Umwelt und die Ökosysteme betont, sondern es stehen auch ästhetische oder kulturelle Aspekte im Vordergrund. Eine besondere Rolle kommt hierbei dem Wald zu, der als besonders schützenswert herausgestellt wird. Screenshot 3 zeigt den Einsatz dieses Musters in einer direkten Konfrontation von Wahlplakaten der Grünen. Screenshot 4 zeigt insbesondere auch die kulturelle Bedeutung („romantisch“, „bereits in den Märchenbrüdern der Gebrüder Grimm verewigt“), die hier über den reinen Naturschutz hinaus für den Wald geltend gemacht wird.

Der Screenshot 5 stellt ein typisches Beispiel für den mit diesem Gebrauchsmuster oft einhergehenden Einsatz von drastisch erscheinenden Bildern dar, die die Zerstörung von Landschaften in diesem Fall durch einen Solarpark drastisch visualisieren. Auch der Tweet der rechten Umweltzeitschrift 'Die Kehre', die eine zentrale Rolle bei der Aneignung klassisch ökologischer Positionen durch die Rechte spielt, verwendet kulturkritische Motive: „Tote Seelen“ würden mit Maßnahmen gegen den Klimawandel „tote Landschaften“ erzeugen.

  • Screenshot 3 Klima
    Screenshot 3
  • Screenshot 4 Klima
    Screenshot 4
  • Screenshot 5 Klima
    Screenshot 5

d) Klimaschutz und die soziale Frage

In einigen Fällen lässt sich auch erkennen, dass die Klimaschutzpolitik mit sozialen Kosten, die diese verursache, aufgerechnet wird. Screenshot 6 stellt dafür ein Beispiel dar. Hier wird ein Bezug zu einem Text von Alain de Benoist (Vordenker der Nouvelle Droite) hergestellt. Die „soziale Rechte“ müsse sich mit dem Umweltschutz beschäftigen, da sich dieser „auf metapolitischer Ebene“ gegen den Kapitalismus und den Liberalismus (die häufig als zentrale Feindbilder im neurechten Diskurs dienen) einsetzen lasse. Hervorzuheben ist hierbei, dass im Zitat eine rein zweckrationale Betrachtung vorliegt, bei der der Umweltschutz nicht als eigener Wert fungiert, sondern allein den eigenen strategischen Zielen der Ausweitung des eigenen Lagers untergeordnet wird.  

  • Screenshot 6 Klima
    Screenshot 6

e) Regionalität und Landwirtschaft

Schließlich finden sich auch Thematisierungen, bei denen sich Akteure des rechten Lagers für eine regionale Landwirtschaft einsetzen. Hiermit werden gezielt Adressatengruppen angesprochen, bei denen ein hohes Unzufriedenheits- und Protestpotenzial gesehen wird, das genutzt werden soll („Liebe Bauern, wir stehen an eurer Seite“). Der Bezug auf Regionalität (hier auch als Hashtag ausgezeichnet) steht im Kontrast zu Bemühungen um den Klimaschutz, die abstrakt oder ortlos erscheinen, die einen weltumspannenden Bezugsrahmen voraussetzen.

  • Screenshot 7 Klima
    Screenshot 7
  • Screenshot 8 Klima
    Screenshot 8

Ikonographie

  • Ikonographie Klima Umwelt
    Screenshot 9

Neben dem oben genannten Einsatz von ikonographischen Mitteln, die in möglichst drastischer Weise die Zerstörung von Landschaften durch erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie illustrieren sollen, wird das Themenfeld Umwelt- und Klimaschutz in einigen Fällen im rechten Social-Media-Diskurs auch in Form von Memes aufgegriffen. Screenshot 9 zeigt ein etabliertes Meme (Bild mit Kurzkommentar), das Maßnahmen zur Klimapolitik als Politik von „Akademikerfamilien“ beschreibt, die zulasten von „Arbeiterfamilien“ gehe. Auch hier wird die Thematisierung von Klima- und Umweltpolitik mit der sozialen Frage verschränkt (vgl. Screenshot 6).

Zum Weiterlesen

 

  • Das Projekt "NaturSchutzRaum" bietet umfangreiche Informationen und Bildungsangebote zum Rechtsextremismus im Umwelt- und Naturschutz: https://www.nf-farn.de/naturschutzraum
  • Bildungsangebote zum Themenbereich (unter anderem für Multiplikator*innen) werden auch vom Projekt "Mensch.Natur.Gesellschaft." angeboten: http://mensch-natur-gesellschaft.de
  • Georgiana Banita setzte sich intensiv mit der medialen Narrativen über Windkraft, Naturschutz und Energiewandel auseinander: Banita, Georgiana (2023): Vom Winde verdreht? Mediale Narrative über Windkraft, Naturschutz und Energiewandel. Hg. v. Otto Brenner Stiftung (OBS-Arbeitspapier, 60). Online verfügbar unter https://www.otto-brenner-stiftung.de/vom-winde-verdreht.
  • Andreas Bernstorff gibt von der deuten Nationalromantik bis zur AfD eine Übersicht über die Ökologie von rechts: Bernstorff, Andreas von (2021): Ökologie von rechts - Von der deutschen Nationalromantik bis zur AfD. Online verfügbar unter https://www.boell-bw.de/de/2021/11/04/oekologie-von-rechts.
  • Die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz informiert über die extreme Rechte zwischen Klimawandelleugnung und Klimanationalismus: Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) (Hg.) (2021): Die extreme Rechte zwischen Klimawandelleugnung und Klimanationalismus. Online verfügbar unter https://www.nf-farn.de/system/files/documents/broschuere_farn_klimavonrechts_web.pdf.