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Symbolbild 'Glossar Hintergrund', drei Personen mit Sprechblasen

Hintergrund: Populismus

Was ist Populismus – und ist er gefährlich für eine Demokratie? Allein schon der Begriff ist mit vielen Bedeutungen besetzt. Er steht zum Beispiel für einen Sprachstil, der auf Vereinfachung und Emotionalisierung setzt und nicht zwangsläufig von rechts kommen muss. Inhaltlich kann es um ein Weltbild gehen, das von Gegensätzen geprägt ist. Das Wort kann auch positiv besetzt werden. Insbesondere rechte Gruppierungen versuchen, es als Selbstbezeichnung salonfähig zu machen. Diese Kapitel beleuchtet die verschiedenen Interpretationen des Begriffs, auch in der Wissenschaft.

Kurzüberblick

Die Bedeutung des Ausdrucks 'Populismus' ist vielschichtig: Einerseits wird der Begriff (in wissenschaftlichen oder auch politisch-analytischen Kontexten) häufig verwendet, um bestimmte Formen der politischen Auseinandersetzung oder bestimmte Akteure oder Gruppen zu charakterisieren. 'Populismus' bezeichnet hier entweder einen bestimmten Kommunikationsstil politischer Akteure, der sich durch Merkmale wie den Hang zur Vereinfachung, Emotionalisierung oder Personalisierung auszeichnet. Alternativ wird Populismus (im wissenschaftlichen Kontext) auch inhaltlich definiert, wobei häufig eine bestimmte Sichtweise auf die Gesellschaft hervorgehoben wird, bei der ein homogenes 'Volk' einer abgehobenen 'Elite' gegenübersteht.

Andererseits wird der Ausdruck häufig in der politischen Auseinandersetzung verwendet, wo sein Gebrauch meist mit einer starken Wertung verbunden ist und zur Abwertung eines politischen Gegners dient. 'Populismus' ist somit sowohl wissenschaftlicher Beschreibungsbegriff als auch politisches Schlagwort. Die unterschiedlichen Verwendungsweisen lassen sich häufig nicht klar trennen und beeinflussen sich gegenseitig.

Hintergrund

Der Populismusbegriff ist seit Jahren Gegenstand intensiver Diskussionen in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wie der Politik-, Sozial- und Geschichtswissenschaft sowie in der Diskursforschung. Populismus ist hierbei nicht nur Gegenstand der Forschung, sondern bringt auch eine bestimmte Sichtweise des Gegenstandes und darauf aufbauende Interpretationsmodelle aufgefundener Kommunikationspraxen und Politikstile mit sich. Dabei ist der Gebrauch des Begriffs nicht nur in der politischen Sprache und in Alltagsdiskursen vielfach von unterschiedlichsten Narrationen überlagert, die eine bestimmte Interpretation des Wesens, der Ursachen und angemessener Umgangsweisen mit als 'populistisch' benannten Phänomenen nahelegen. Auch in der Fachdebatte sind unterschiedliche Definitionsvorschläge verbreitet und es werden ganz verschiedene Phänomene und politische Strömungen mit dem Etikett populistisch versehen.

Populismus als wissenschaftlicher Beschreibungsbegriff

Wo 'Populismus' zur (wissenschaftlichen) Beschreibung und Analyse verwendet wird, zeigt sich in verschiedenen Fachrichtungen und bei unterschiedlichen Autor:innen eine großes Spektrum unterschiedlicher Bedeutungen. Vor diesem Hintergrund hat sich in der fachübergreifenden Populismusforschung eine Systematisierung unterschiedlicher Ansätze etabliert. Hierbei werden Populismusbegriffe zwischen zwei Polen eingeordnet. Auf der einen Seite wird Populismus als ein inhaltlich und programmatisch bestimmter Politikansatz verstanden, der sich durch eine bestimmte Sichtweise auf die Gesellschaft und politische Repräsentationsformen im demokratischen System auszeichnen. Ins Zentrum gestellt wird hierbei häufig eine dem Populismus eigene Entgegensetzung eines 'homogenen Volkes', in dem kaum Interessensgegensätze bestehen (oder diese ausgeblendet werden) und einer von diesem enthobenen und ihm feindlich gegenüberstehenden Elite in Staat, Medien und Wirtschaft ('Establishment').

Populistische Akteure inszenieren sich aus dieser Sichtweise als unmittelbare Interessensvertreter des 'Volkes' gegen die gesellschaftlichen 'Eliten', die außerhalb politischer Repräsentationsmechanismen stehen (vgl. exemplarisch Decker und Lewandowsky 2017). Die hierin bestehende (unausgesprochene) Ablehnung politischer Repräsentations­mechanismen in der Demokratie legt es nahe, dem (so verstandenen) Populismus ein grundsätzlich demokratiefeindliches Wesen zu bescheinigen.

Der andere Zugang betrachtet Populismus als inhaltlich unbestimmten politischen Kommunikationsstil. Da sich aus dieser Perspektive Populismus nicht durch bestimmte Inhalte oder Positionen fixieren lässt, werden neben dem (oft im Zentrum stehenden) Rechtspopulismus auch bestimmte linke Bewegungen als populistisch charakterisiert. Als Kernelemente eines populistischen Kommunikationsstiles werden häufig die Personalisierung und Emotionalisierung politischer Kommunikation, der Hang zur Vereinfachung komplexer Sachverhalte oder die Orientierung an spontanen Stimmungen in breiten Wählerschichten benannt.

In der wissenschaftlichen Debatte wird auch vielfältige Kritik an der etablierten Sichtweise auf das Phänomen Populismus geäußert. So könnte man beispielsweise gegen die Auffassung, dass sich populistische Sprache besonders durch den Hang zur Vereinfachung oder Zuspitzungen auszeichnen, einwenden, dass das geradezu Grundcharakteristika politischen Sprachgebrauchs generell sind (und als allgemeine Merkmale politischer Sprache so von der Linguistik beschrieben werden). Insofern wären auch viele politische Äußerungen von Akteuren als populistisch zu charakterisieren, die diesem Verdacht üblicherweise nicht ausgesetzt werden. Dem Konzept 'Populismus' droht so die Trennschärfe verloren zu gehen. Und darüber hinaus kann einfach gezeigt werden, dass Populisten sich keineswegs stets einfach bestehenden Stimmungen und Ansichten 'des Volkes' andienen, sondern dass häufig gerade populäre Minderheitspositionen besetzt werden (man denke nur an die Positionierung der AfD im Kontext der Debatte um die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie). Vor dem Hintergrund derartiger Fragen schlagen viele Forscher:innen zwischen den beiden Extremen vermittelnde Positionen vor. Der Sprachwissenschaftler Martin Reisigl beschreibt Populismus in diesem Sinne als „inhaltlich bestimmte[n] und medienbasierte[n] Modus der politischen Artikulation“ (Reisigl 2014, S. 71).

Populismus als politisches Schlagwort

Aus rein sprachwissenschaftlicher Sicht wäre Populismus zunächst als politisches Schlagwort zu bestimmen. In diesem Sinne hat z.B. der Siegener Sprachwissenschaftler Clemens Knobloch den Populismusbegriff betrachtet. Knobloch stellt fest, dass Populismus zwar primär als Fremdbezeichnung vorkommt, dass der Ausdruck aber auch nicht mehr nur als „stigmatisierender Feindbegriff“ (Knobloch 2017, S. 39) verwendet wird. Vielmehr lasse sich bei verschiedenen Parteien (so in Frankreich beim Rassemblement National und bei der deutschen AfD) beobachten, dass der Ausdruck auch als Selbstbezeichnung herangezogen wird. Ein für den deutschen Diskurs erhellendes Beispiel hierfür stellt der Versuch von Alexander Gauland dar, den Populismusbegriff positiv für die AfD zu bestimmen und anzueignen, den er in einem Gastbeitrag in der FAZ und bei einem Vortrag am IfS in Schnellroda vorstellte (vgl. Gauland 2018, Gauland 2019). Knobloch beschreibt den Populismusbegriff in einer Dynamik zwischen 'populistischen' Sprechweisen auf der einen und Populismusvorwürfen auf der anderen Seite, die auf den Ausschluss der so etikettierten Akteure aus dem Diskurs abzielen. Als Stigmabegriff lasse sich der Ausdruck primär dort finden, wo die Grenze zwischen etablierten Bereichen des Diskurses und ausgeschlossenen Extrembereichen markiert werde: „In der Topologie des politischen Raums markiert das als populistisch bezeichnete Segment die Übergangszonen zwischen den (als extremistisch, radikal, terroristisch stigmatisierten) rechten und linken Randzonen und der demokratischen Mitte” (Knobloch 2017, S. 39).

Dabei lassen sich grundsätzlich zwei gegenläufige Sichtweisen unterscheiden: Einerseits könne der Populismus so beschrieben werden, dass er als potenzielles Einfallstor für radikale oder extremistische Inhalte erscheint. Andererseits werde Populismus aber auch als „notwendige Irritation einer konturarm, träge und selbstgefällig gewordenen Mitte” entworfen (Knobloch 2017, S. 39). Diese gegenläufigen Erzählungen gehen mit unterschiedlichen Sichtweisen auf die durch den Populismus herausgeforderte 'Mitte' einher: Denn wenn diese als selbstbewusst und resilient gedacht werde, könne sie die Themen und Probleme, die der Populismus aufwirft, integrieren und mit ihren Prozeduren bearbeiten. Werde die demokratische Mitte als schwach und instabil beschrieben, werde die populistische Herausforderung eher als ernste Gefahr aufgefasst, die durch Ausgrenzung abgewiesen werden muss.

Wie kann man Populismus analysieren?

Trotz aller Differenzen bei der konkreten Bestimmung dürfte es als unstrittig gelten, dass es für verschiedene Spielarten des Populismus charakteristisch ist, vorhandene Unzufriedenheiten mit der bestehenden Demokratie und den politischen Verhältnissen aufzugreifen und politisch auszunutzen. Populismus bedient so betrachtet stets vorliegende Bedürfnisse von bestimmten Teilen der Gesellschaft (z.B. der Bevölkerung in ländlichen Regionen, 'bildungsfernen Schichten', traditionellen Familien oder auch Arbeiter:innen) und versucht diesen einen politischen Ausdruck zu geben und sie so für sich zu kapitalisieren. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist es für ein angemessenes Verständnis populistischer Diskurspraxis und ihrer Erfolge nicht ausreichend und zielführend, die Inhalte und Positionen (und damit auch die Wähler:innen und Anhänger:innen) unumwunden als moralisch verwerflich oder der Sache nach unsinnig zu markieren. Um das Funktionieren populistischer Politik (und auch ihr Scheitern) verstehen und offenlegen zu können, wäre es vielmehr angemessen, gezielt auch die durch populistische Ansprachen adressierten Bedürfnissen zu identifizieren, und nicht nur populistische Sprecher:innen und ihr Agieren zu kritisieren. Dies impliziert keinen Verzicht auf eine Positionierung durch die Forscher:innen, im Gegenteil.

In diesem Sinne plädieren die Sprachwissenschaftler Steffen Pappert und Kersten Sven Roth (2021) für eine Erweiterung des Blicks der Forschung auf den Populismus. Sie kritisieren, dass die alleinige Betrachtung von Populismus als Äußerungsakt, z.B. in Form der Reden von populistischen Politiker:innen oder als populistisch bezeichnete Postings in sozialen Medien, zu kurz greife. Sie gehen von der Einsicht aus, dass sich die Bedeutung und Funktion von Äußerungen nicht in der Äußerung erschöpfen, sondern dass sie auch davon abhängen, wer diese Äußerung wie aufgreift und welche Form der Interaktion resultiert. Aus der Feststellung dieses Defizites fordern Sie: „Was notwendig ist, ist eine Ergänzung, die die Rezipientenseite nicht einfach nur im Sinne eines Resonanzraumes einbezieht, sondern ernst nimmt als Konstituente des Phänomens Populismus“ (Pappert und Roth 2021, S. 14). Einfacher formuliert könnte man sagen, dass es aus dieser Sicht nicht reicht, Populismus in der Form bestimmter Äußerungen populistischer Politiker:innen zu betrachten, sondern dass diese immer (auch) in Auseinandersetzung mit bestimmten Rezipient:innen stehen, deren Sichtweisen bedient und geformt, deren Hoffnungen oder Vorurteile bestätigt werden sollen und deren (angenommene) Reaktionen bereits die Äußerung mitgestalten. Die Interaktion mit Rezipient:innen verschiedener Adressatengruppen formt schon den Äußerungsakt maßgeblich mit und ist so nicht als passive 'Resonanzkammer' zu verstehen.

Diese Erweiterung des Blicks erscheint umso wichtiger vor dem Hintergrund der Online-Kommunikation in sozialen Medien, deren besonderes Merkmal gerade darin besteht, dass die klare Teilung zwischen Sprecher:innen und Rezipient:innen aufgebrochen wird und die als besonders relevanter Bereich 'populistischer' Kommunikationsstrukturen in der aktuellen Öffentlichkeit anzusehen sind. Wir verstehen daher populistische Kommunikation als eine bestimmte Form politischer Diskurse, die durch ein komplexes Zusammenspiel von sprachlichen Äußerungen geprägt werden. Diese sind vor dem Hintergrund angenommener kommunikativer Bedürfnisse und zu erwartender Reaktionen unterschiedlicher Rezipientengruppen zu betrachten, die diese Äußerungen aufgreifen, bestätigen, zurückweisen und aktiv weiterbetreiben. 'Populistisch' ist ein Diskurs in diesem Sinne dann, wenn eine politische Sprechergruppe in besonders hohem Maße das Verständnis für Einstellungen, Wünsche und Hoffnungen einer bestimmten Adressatengruppe signalisiert (Pappert und Roth sprechen von einem „Interaktionsmodus maximaler Empathiedokumentation“, Pappert und Roth 2021, S. 17).

Zitierte Literatur

  • Decker, Frank; Lewandowsky, Marcel (2017): Rechtspopulismus in Europa. Erscheinungsformen, Ursachen und Gegenstrategien. In: ZfP Zeitschrift für Politik 64 (1), S. 21–38. 
  • Gauland, Alexander (2018): Warum ist der Populismus entstanden und worauf reagiert er? Ein Gastbeitrag. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.10.2018.
  • Gauland, Alexander (2019): Populismus und Demokratie. Dr. Alexander Gauland beim IfS. Vortrag gehalten im Rahmen der Winterakademie des Instituts für Staatspolitik (IfS) in Schnellroda am 19. Januar 2019. Schnellroda, 19.01.2019.
  • Knobloch, Clemens (2017): Beobachtungen über den jüngsten Gebrauch des Wortes »Populismus«. oder: Zum Westen was Neues? In: kultuRRevolution, Zeitschrift für angewandte Diskurstheorie (72).
  • Pappert, Steffen; Roth, Kersten Sven (2021): Überlegungen zu einer pragmalinguisitischen Modellierung von Populismus. Am Beispiel des innerdeutschen Diskurses. In: Steffen Pappert, Corinna Schlicht, Melani Schröter und Stefan Hermes (Hg.): Skandalisieren, stereotypisieren, normalisieren. Diskurspraktiken der Neuen Rechten aus sprach- und literaturwissenschaftlicher Perspektive: Helmut Buske Verlag, S. 9–28.
  • Reisigl, Martin (2014): Österreichischer Rechtspopulismus im Zeitalter von Mediendemokratie und medialer Erlebnisgesellschaft. In: Franz Januschek und Martin Reisigl (Hg.): Populismus in der digitalen Mediendemokratie. Duisburg: Universitätsverlag Rhein-Ruhr (Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie (OBST), 86), S. 71–99.

Zum Weiterlesen

  • Einen kompakten Überblick über das Phänomen Populismus und über wichtige Theorien zur Erklärung seines Charakters und Entstehens liefern: Jörke, Dirk; Selk, Veith (2020): Theorien des Populismus zur Einführung. Hamburg: Junius.
  • Wolfgang Schroeder und Berndhard Weßels beschreiben die Position der AfD vor dem Superwahljahr 2024: Schroeder, Wolfgang; Weßels, Bernhard (2023): Radikalisiert und etabliert. Die AfD vor dem Superwahljahr. Hg. v. Otto Brenner Stiftung (OBS-Arbeitspapier, 59). Online unter: https://www.otto-brenner-stiftung.de/afd-radikalisiert-und-etabliert.