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Schlagwörter: links, rechts, konservativ, grün

Wie sehen sich Mitglieder der rechten Bubble - und wie grenzen sie sich gegenüber anderen Parteien und Gruppierungen ab? Genaue Definitionen sind eher selten, doch die tief verankerte Einordnung nach dem Links-Rechts-Schema bleibt weiter zentral. In diesem Kapitel geht es um die Selbst- und Fremdwahrnehmung im rechten Lager. Damit ist auch die Abwertung politischer Gegner nach bestimmten Mustern verbunden.

Kategorie: politisches Schlagwort (Lexik)


Verknüpft mit: politischer Rollentausch, Konservative verlieren immer


Diskurscommunities: Neue Rechte, AfD und JF, liberal Konservative, Siff- und Trollbubble


Version: 0.8 (13.06.2023), Überarbeitung 19.02.2024

Kurzübersicht

Für die Einordnung politischer Parteien und Gruppierungen ist im politischen Alltagsbewusstsein das Links-Rechts-Schema absolut zentral, woran auch die oft geäußerte Kritik oder Behauptungen, dass das Schema überkommen sei, bis heute nichts ändern. Für die Konstruktionen von Selbst- und Fremdbildern zentraler Akteure im rechten Raum sind auch die Labels 'konservativ' und 'grün' wichtig. Es handelt sich bei diesen Ausdrücken um die zentralen Attribute (aber natürlich bei weitem nicht die einzigen), mit denen sich die relevanten Communities beschreiben und voneinander abgrenzen – und zwar sowohl als Selbstbeschreibung, als auch im Hinblick auf die Konstruktion des politischen Gegners.

Nur ein Teil der User der von uns untersuchten Twittersphäre versteht sich selbst als 'Rechte' – viele sehen sich eher als 'Konservative', 'Patrioten' oder auch als 'Liberale'. Andere wollen sich gar keiner politischen Richtung zuordnen. Diejenigen, die das Label 'rechts' offen und offensiv verwenden, treten oft mit einem umfassenden rechten Weltbild im Diskurs auf. Für viele User der rechten Twittersphäre stellen die 'Linken' und die 'Grünen' die zentralen Feindbilder dar, während in neurechten Kreisen teils auch der Liberalismus als bestimmende Strömung und tiefere Ursache diverser abgelehnter gesellschaftlicher Entwicklungen betrachtet und daher als Hauptgegner angesehen wird.  

Häufigkeitsprofil

  • Platzhalter Häufigkeit links rechts

Politische Schlagwörter werden von unterschiedlichen politischen Communities mit unterschiedlicher Häufigkeit verwendet. Dies kommt typischerweise dann vor, wenn ein bestimmter Ausdruck die Weltanschauung oder die politischen Inhalte oder Ziele dieser Gruppe besonders passend oder prägnant ausdrückt. Es kann aber auch vorkommen, dass Ausdrücke, mit denen z.B. politische Gegner oder ihre Ziele und Anschauungen diskreditiert werden, häufig von einer Community verwendet werden. Je weiter außen der Graph bei einer Community steht, desto häufiger wird der entsprechende Ausdruck in dieser Gruppe verwendet. Genauere Informationen zu den verschiedenen politischen Communities und wie diese identifiziert wurden finden sich auf der Übersicht zur rechten Twittersphäre.

Kollokationen

Bei der Betrachtung der Kontexte, in denen Ausdrücke zur Bezeichnung politischer Grundausrichtungen vorkommen, fällt auf, dass diese sehr häufig entweder Gegensatzpaare oder politische Nachbarn benennen. Der stärkste Kollokationspartner der Rechten sind als Gegensatz 'Linke' (1) und auch in Gegenrichtung ist diese Verknüpfung hoch signifikant (3). 'Linke' (6) bilden auch bei Konservativen den wichtigsten Gegensatz, hier ist die Verknüpfung mit den Nachbarn 'Liberale' (1) und 'Rechte' (3) jedoch signifikanter. Konservative werden mit 'Liberalen' (1) oder 'Patrioten' (8) assoziiert, was interessanterweise bei der Rechten so nicht zu beobachten ist.

Linke und Grüne bilden ebenso gegenseitig enge Kollokationen. Aufgrund der Namensgleichheit mit den jeweiligen Parteien (die es bei der Rechten und Konservativen in dieser Form nicht gibt) tauchen hier dominant auch die Namen der anderen Parteien auf. Bei der Linken verweist die hohe Signifikanz von Treffern wie 'SED' (4) oder 'Lumpen' (9) auf stigmatisierende Benennungspraktiken. Gleiches gilt für die Grünen, für die die diffamierende Benennung als 'Grüne Khmer' (9) in Teilen des rechten Diskurses mit hoher Frequenz verwendet wird (die Bezeichnung wurde auch von diversen Journalist:innen aus dem Bereich der Alternativmedien aufgegriffen, was zur weiteren Konventionalisierung beitrug, so z.B. von Titus Gebel auf dem Block der 'Achse des Guten' oder von Alexander Wendt /@PublicoMag oder @ _donalphonso).

  • Abbildung 1 rechts, links
    Abbildung 1: Kollokationsprofile Rechte und Konservative. Für aussagekräftigere Ergebnisse wurden nur Vorkommen der Suchausdrücke in substantivierter Form berücksichtigt, bei denen nicht-politische Verwendungen seltener sind.

Sprachliche Ausdrücke werden in der Praxis in verschiedenen Kontexten und von unterschiedlichen Sprechergruppen mit anderen Bedeutungen verwendet. Um diese unterschiedlichen Gebrauchsmuster beschreiben zu können, ist das Umfeld aufschlussreich, in dem das untersuchte Wort vorkommt. Hierbei ist besonders relevant, mit welchen anderen Ausdrücken das untersuchte Wort besonders häufig (und statistisch überdurchschnittlich oft) gemeinsam verwendet wird. Diese häufige Verbindung zweier Ausdrücke nennt man in der Sprachwissenschaft Kollokation oder Kookkurrenz. Die unten stehende Tabelle zeigt die wichtigsten Kookkurrenzen der Suchausdrücke sortiert nach Signifikanz, also danach, wie stark überdurchschnittlich die Häufigkeit des gemeinsamen Vorkommens ist. Grundlage ist unser User-Korpus, das die rechte Twittersphäre abbildet (genauere Informationen zu unserer Datengrundlage finden sich auf der Seite über das Projekt). 

Die hohe Signifikanz der Kollokation 'Neue Rechte' (2, 19) verdeutlicht, dass der Ausdruck zur Benennung der Gruppierung (und auch zur Selbstbezeichnung von Vertreter:innen des entsprechenden Milieus) im rechten Diskursumfeld etabliert ist und häufig verwendet wird. Die Partner 'demonstrieren' (3) und 'marschieren' (5) verweisen wiederum auf den häufigen Gebrauch von Paarformeln, die in diesem Fall häufig zur kritischen Kommentierung des Sprachgebrauchs der Berichterstattung in etablierten Medien verwendet werden ('Linke demonstrieren – Rechte marschieren').

Bei den Kollokationen um 'Konservative' fällt auf, dass dieser Ausdruck häufig in eine Nachbarschaft zu Liberalen (1) und Patrioten (8) gestellt wird, was in gleicher Weise bei 'Rechte' nicht stattfindet. Interessant ist es auch, dass die Phrase 'Konservative verlieren immer' (2, 4) sich sehr signifikanten im Sprachgebrauch der rechten Twittersphäre abzeichnet. Die Phrase und der damit verbundene Topos wurden 2013 durch einen Band aus dem Antaios-Verlag geprägt, der dem Neu-rechten Götz Kubitschek gehört. Die hier formulierten Argumente bilden bis heute das Grundgerüst der neurechten Kritik an (etablierter) konservativer Politik und sind auch im alltäglichen Social-Media-Diskurs sehr virulent.

  • Abbildung 2 rechts, links
    Abbildung 2: Kollokationsprofile Linke und Grüne. Für aussagekräftigere Ergebnisse wurden nur Vorkommen der Suchausdrücke in substantivierter Form berücksichtigt, bei denen nicht-politische Verwendungen seltener sind.

Bei den Kollokationen 'Linke' ist zu beachten, dass der Ausdruck sowohl das gesamte linke politische Spektrum, als auch konkreter die gleichnamige Partei benennt (was häufige gemeinsame Vorkommen mit den anderen Parteinamen erklärt, 1, 2, 5, 6, 7)).  

Bei den Kontexten, in denen 'Linke' im rechten Diskurs gebraucht werden, lassen sich, neben der bereits erwähnten Betonung einer Kontinuität der Partei zur SED, Bemühungen nachzeichnen, den politischen Gegner als besonders radikal erscheinen zu lassen. Dies zeichnet sich ab beim Gebrauch des Ausdrucks 'Linke' im Kontext von 'Gewalt' (8) oder an häufigen Aussagen, dass Linke etwas 'hassen' (12). Auch die Thematisierung der 'Antifa' (21) gehört hierzu.

Die auffallend häufige Thematisierung der 'Grünen Jugend' (4) und ihrer Bundessprecherin (6) resultieren aus der im Untersuchungszeitraum stattgefundenen Wahl, die im rechten Diskurs viel Aufmerksamkeit erregt hat. Insbesondere wurde versucht, ältere Tweets der neu gewählten Vorsitzenden zu skandalisieren, die für Teile des rechten Milieus großes Empörungspotenzial hatten und als Nachweis der Radikalität grüner (Nachwuchs-)Politik herhalten sollten.

Typische Verwendungsweisen und Beispiele

a) 'Rechts' und 'konservativ' als Ausdrücke mit hoher Symbolkraft (Fahnenwörter)

Primäre Funktion der Ausdrücke 'rechts' und 'konservativ' im rechten Diskurs ist die Selbstbeschreibung politischer Akteure. Die beiden Ausdrücke werden dabei in alltäglicher Kommunikation häufig mit ähnlicher Bedeutung verwendet, teils werden beide auch klar voneinander abgegrenzt. Was die beiden Ausdrücke genau bedeuten und was die damit bezeichneten politischen Lager auszeichnet, bleibt häufig ungeklärt. Direkte Definitionsversuche der Begriffe finden sich kaum, häufiger wird das 'Rechts-' oder 'Konservativsein' mit bestimmten politischen Idealen oder Positionen verknüpft.

Typisch hierfür ist die Umschreibung dessen, was 'rechts' von 'links' unterscheide, die die rechten Autor:innen Martin Lichtmesz und Caroline Sommerfeld in ihrem in der Szene vielrezipierten Buch 'Mit Linken leben' verwenden: Die Frage, „was wer warum meint, wenn er von 'Rechten' oder 'Linken' spricht“ (Lichtmesz / Sommerfeld 2017, 11), wird nicht durch eine direkte Definition zu beantworten versucht, sondern es werden zentrale 'Bruchlinien' benannt, die Rechte und Linke unterscheiden. Die Rechten zeichnen sich in der (Selbst-)Darstellung von Lichtmesz und Sommerfeld insbesondere durch eine realistische Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verhältnisse aus (die nicht durch utopische Vorstellungen beeinflusst werde). Weiterhin zeichnen sich die Rechten in der Gegenwart den Autor:innen zufolge durch das Misstrauen gegenüber den großen Massenmedien aus und durch die Ablehnung des 'Globalismus' und die Bevorzugung 'identitärer', also die regionalen Besonderheiten hervorhebender und schätzender Positionen. Interessant ist auch, dass das 'Rechtssein' hier mit einem nonkonformistischen und rebellischen Habitus beschrieben wird, was den Topos andeutet, dass die Linken und Rechten in der Gegenwart die Rollen getauscht hätten.

Die Idee, dass sich eine rechte Weltanschauung durch eine realistische Einschätzung gesellschaftlicher Verhältnisse auszeichne, zeigt auch der Screenshot 1: Der Verfasser formuliert diesen Gedanken durch die Behauptung, dass die 'Wirklichkeit rechts stehe'. Den Kern des 'realistischen' oder 'wirklichkeitsgetreuen' Weltbildes, das Rechte gerne für sich beanspruchen, stellt die Annahme der 'Natürlichkeit' bestehender Ungleichheiten zwischen Menschen dar, die damit gerechtfertigt werden. Nebenbei wird das linke Selbstbild infrage gestellt, indem dieses mit „Übergriffigkeiten von Oben nach Unten“ identifiziert wird.

  • Screenshot 1 rechts,links
    Screenshot 1
  • 4_Screenshot_2_rechts_links
    Screenshot 2

b) Feindbegriffe: #gruenermist

Neben den bereits thematisierten Konturen von Verwendungen der Lagerbezeichnungen 'Linke' oder 'Grüne' als abwertende Feindbegriffe zeigen sich Praktiken der Abwertung des Gegners auch deutlich bei einem Blick auf den Gebrauch des Hashtags '#greuenermist', der von verschiedenen Teilen der rechten Twittersphäre strategisch eingesetzt wird. Das Hashtag wurde im Kontext einer Negativkampagne im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 lanciert. Die Kampagne war crossmedial angelegt und stützte sich neben koordinierte Social-Media-Aktivitäten auch auf die Anmietung von Werbeplakatflächen professioneller Dienstleister:innen. Die Initiator:innen können dem weiteren Umfeld der AfD zugerechnet werden, ohne dass die Partei direkt an der Kampagne beteiligt war. Unser Untersuchungszeitraum zeigt den Gebrauch des Hashtags nach der Bundestagswahl und damit nach dem Ende der direkten und koordinierten Kampagne. Hier zeigt sich, dass die Häufigkeit des Gebrauchs des Hashtags in den Monaten von November 2021 bis ca. Ende März 2022 zwar anlassbedingt klare Konjunkturen zeigt und auch immer wieder kurze Intervalle vorkommen, in denen wir keine Verwendungen im Korpus nachweisen können, das Hashtag aber insgesamt auch nach dem Ende der direkten Kampagne als etabliert betrachtet werden muss. Seit April 2022 können sogar sehr deutlich ansteigende Frequenzen festgestellt werden.

  • 5_Abbildung_3_rechts_links
    Abbildung 3: Frequenzverlauf '#gruenermist' (Y-Achse: Signifikanz * 10.000)

c) Gleichsetzung 'Links = braun' sowie innerrechte Kritik daran

Ein wiederkehrendes Motiv des Sprechens über die politischen Lager im rechten Diskurs ist die Gleichsetzung der heutigen Linken (und auch Grünen) mit den Nationalsozialisten. Diese Gleichsetzungen beruhen auf der Annahme einer fundamentalen Transformation der politischen Linken und steht somit im Kontext des verbreiteten Argumentationsmusters des politischen Rollentauschs. Transportiert und begleitet wird diese These oft mit dem bekannten, dem italienischen Schriftsteller Ignazio Silone zugeschriebenen Zitat, demzufolge ein wiederkehrender Faschismus sich als Antifaschismus ausgeben würde.

Interessanterweise sind diese Gleichsetzungen besonders in Teilen des rechten Diskurses verbreitet, die weniger eine geschlossene rechte Weltanschauung aufweisen und eher instinktiv auf tagespolitische Ereignisse reagieren. In dezidiert neurechten Kreisen gelten derartige Gleichsetzungen als Übernahme der Optik des politischen Gegners, in der der historische Nationalsozialismus das ultimativ Böse symbolisiere und in dieser Form ständig für die Deutung der Verhältnisse in der Gegenwart herangezogen werde ('Schuldkult'). Beispiele für die dezidierter rechte Ablehnung der historischen Gleichsetzungen zeigen die Screenshots 3-6. Screenshot 3 zeigt die beschriebene Gleichsetzung in typischer Form, wobei hier die von der grünen Regierungspartei verfolgte Politik als 'totalitär' geframt werden soll. Die Screenshots 4 und 5 zeigen ablehnende Reaktionen und Kommentierungen eines Sharepics, mit dem die AfD-Fraktion Baden-Württemberg die Gleichsetzung „Links wählen ist so Braun“ verbreitet hatte. Im ersten Fall wird das geteilte Sharepic nur lakonisch kommentiert, im zweiten Fall wird die rechte Ablehnung der Gleichsetzung mit einem verbreiteten Meme artikuliert, in dem Batman seinem Helfer Robin eine Ohrfeige gibt.

  • 6_Screenshot_3_rechts_links
    Screenshot 3
  • Screenshot 4 rechts links
    Screenshot 4
  • Screenshot 5
    Screenshot 5
  • Screenshot 6 rechts links
    Screenshot 6

Zitierte Literatur

  • Lichtmesz, Martin; Sommerfeld-Lethen, Caroline (2017): Mit Linken leben. Schnellroda: Antaios.